Einer der häufigsten Vorstellungsgründe in der psychotherapeutischen Praxis stellen Angsterkrankungen dar. Von sozialer Angst, über Panikattacken bis generalisierte Ängste gibt es eine große Bandbreite an Angsterkrankungen. Neben den klassischen Manualen gibt es einige Kinderbücher und Therapiematerialien, die die Arbeit in der psychotherapeutischen Praxis erleichtern und einen guten Einstieg in die Therapie bieten können. Ich stelle in diesem Artikel verschiedene Materialien vor, die ich in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern als hilfreich erlebt habe.

Allgemeine Therapiematerialien und Bücher zum Thema Angst

Folgende Materialien beziehen sich nicht auf eine bestimmte Angsterkrankung, sondern führen allgemein in das Thema Angst ein.

Huch, die Angst ist da!

Buchtitel Huch die Angst ist da

Mein Lieblingsbuch zum Thema Angst ist das Buch „Huch, die Angst ist da“. In dem Buch werden verschiedene Mitglieder der Familie Schlottermann vorgestellt, die alle unter einer Form von Angst leiden – sozialer Angst, Prüfungsangst, Spinnen- und Hundephobie und generalisierte Ängste. Die Angst wird dabei in Form eines Angstmonsters externalisiert, wobei die Kinder im Buch auch ihre eigene Angst darstellen können. Das Buch ist abwechslungsreich und bunt gestaltet und bietet viele Übungen zum Mitmachen und Ausfüllen. Der erste Teil richtet sich dabei an Kinder und enthält neben einer Psychoedukation bereits viele Therapietechniken wie Detektivaufgaben, schrittweise Habituation und Akzeptanz- und Atemübungen. Der zweite Teil richtet sich an Eltern und enthält auch Psychoedukation und Übungen zum Reflektieren. Wenn ihr in der Ausbildung nicht viel Geld zur Verfügung habt und euch nicht so viele Materialien kaufen könnt, reicht dieses Buch (neben den in den Instituten vorhandenen Manualen) meiner Meinung nach völlig aus.

Selina, Pumpernickel und die Katze Flora

Buchtitel Selina,Pumpernickel und die Katze Flora

Dieses Buch werdet ihr wahrscheinlich in eurem Ausbildungsinstitut finden. Es ist schon sehr alt und war eine lange Zeit nur noch gebraucht verfügbar. Mittlerweile gibt es eine Neuauflage. Das Buch wird häufig zur Einführung in die Exposition verwendet. Das Mädchen Selina fürchtet sich vor der Katze Flora und flieht vor ihr, wodurch die Katze immer größer und bedrohlicher erscheint. Erst als Selina sich der Katze stellt und der Angst wortwörtlich in die Augen schaut, wird die Katze kleiner und erscheint gar nicht mehr bedrohlich. Das Buch verdeutlicht Kindern, wie wichtig es ist, sich der Angst zu stellen und kann daher gut in der Psychoedukation eingesetzt werden.

Videos zum Thema Angst

Um in das Thema Angst einzuführen, kann sich auch ein Blick in kurze, für Kinder entwickelte Aufklärungsvideos lohnen. Im Video des WDR wird beispielsweise gut erklärt, warum wir Menschen Angst haben und wie man Angsterkrankungen in einer Psychotherapie behandeln kann. Auch verschiedene Kinder und Jugendliche kommen zu Wort und berichten von ihren Ängste, was Kindern das Gefühl geben kann, damit nicht alleine zu sein.

Angst macht AH!

Spielcover_Angst_macht_Ah

Wer sich dem Thema Angst spielerisch nähern möchte oder Gruppentherapien arbeitet, kann das Spiel „Angst macht AH!“ vom Sternwiese Verlag verwenden. Hier werden in Form eines Spiels Psychoedukation und Strategien zum Umgang mit der Angst vermittelt.

Störungsspezifische Therapiematerialien

Mittlerweile gibt es auch eine Reihe störungsspezifischer Therapiebücher, die sich mit verschiedenen Angsterkrankungen auseinandersetzen.

Der König besiegt seine Angst

Buchtitel der König besiegt seine Angst

Das von den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen entwickelte Kinderbuch erzählt von einem König, der Angst davor hat, eine Rede zu halten. Er wird von einem Zauberer und einer Eule begleitet, die ihm bei der Bewältigung seiner Angst helfen. Der König lernt die Angstkurve und Expositionsübungen kennen und setzt sich schrittweise mit seiner Angst auseinander. Das Buch ist so gestaltet, dass Kinder und Jugendliche zum Mitmachen und Ausfüllen motiviert werden (z. B. ihre eigene Angstleiter entwickeln) und am Ende des Buchs sogar eine Urkunde erhalten. Die Materialien im Buch sind sehr anschaulich gestaltet und können gut die Therapie begleiten.

Psychologische Kinderbücher

Buchtitel die kleine Eule Luna

Aus der Reihe „Psychologische Kinderbücher“ sind auch das Buch „Die kleine Eule Luna“ zum Thema Trennungsangst und das Buch „In Gedanken ein Fuchs“ zum Thema sozialen Phobie entstanden. Beide Bücher laden zum Mitmachen ein und eigenen sich gut, um die Therapie für die jeweilige Erkrankung zu begleiten.

Buchtitel in Gedanken ein Fuchs

Die kleine Spinne Widerlich

Buchtitel die kleine Spinne Widerlich

Die kleine Spinne Widerlich fragt sich, warum Menschen sich vor ihr fürchten und versucht, Antworten darauf zu bekommen. Das Kinderbuch kann eine gute Möglichkeit sein, sich mit einer Spinnenphobie auseinanderzusetzen und einen neuen Blick auf die kleinen Tiere zu bekommen.

Elternberatung zum Thema Angst

Viele der vorgestellten therapeutischen Bücher widmen ein Kapitel den Bezugspersonen und eigenen sich gut dafür, die Psychoedukation zu unterstützen. Insbesondere das Buch „Huch, die Angst ist da!“ enthält ausführliche Informationen und Materialien für Eltern.

Die Autoren des Buches bieten auch YouTube Videos und Blogartikel für Eltern zu verschiedenen Themen wie Umgang mit Schulangst, Förderung von konstruktiven Denkweisen bei Schul- und Prüfungsängsten und Tipps gegen Blackouts an.

Therapiematerialien zur Angst selbst gestalten

Folgende Übungen lassen sich gut mit den vorgestellten Materialien kombinieren:

Was macht die Angst groß / klein?

Viele der vorgestellten Bücher externalisieren die Angst und laden die Kinder dazu ein, ihre Angst ebenfalls zu externalisieren. Wenn die Kinder ihre eigene Angst gemalt haben, bietet es sich an, das Gemalte einzuscannen und jeweils sehr groß und sehr klein auszudrucken. Im nächsten Schritt kann man die Kinder fragen, was die Angst groß und klein werden lässt und somit aufrechterhaltende Faktoren identifizieren und das Therapierational ableiten. In diesem Zusammenhang kann man zum Beispiel Mutmach-Gedanken und Konfrontationsübungen zur Verkleinerung der Angst überlegen und dann die nächsten Schritte einleiten. Diese beiden ausgedruckten Blätter können die gesamte Therapie begleiten und regelmäßig weiterentwickelt werden.

Ein Angst-Comic gestalten

Eine Übung, die sich bei jeder Form der Externalisierung anbietet, ist die Gestaltung eines eigenen Comics. In diesem kann das Kind selbst (oder ein Gegenspieler) die externalisierte Erkrankung schrittweise bekämpfen. Viele Kinder malen beispielsweise ausführliche Kämpfe oder lassen die externalisierte Erkrankung im Verlauf des Comics immer kleiner werden. Andere Kinder malen dort die verschiedenen Expositionsübungen, die sie gemeistert haben. Oft habe ich mit den Kindern pro Sitzung eine Seite gemalt, sodass am Ende der Therapie ein ganzer Comic entstanden ist, den die Kinder mit nach Hause nehmen können.

Eine Verstärker-Kette basteln

Um Expositionsübungen zu verstärken und den Therapiefortschritt zu verdeutlichen, kann eine immer länger werdende Papierkette eine schöne Möglichkeit sein. Dafür kann man zum Beispiel pro absolvierter Expositionsübung einen Streifen buntes Papier abschneiden, diesen zu einem Ring formen und mit einem Tacker befestigen. Den darauf folgenden Papierring führt man durch den vorhandenen Ring, sodass eine Kette entsteht. Diese wird im Verlauf der Therapie immer länger und motiviert die Kinder, die Kette immer mehr zu verlängern. Diese Übung bietet sich gut am Anfang der Sitzung an, wenn man die vereinbarten Expositionsübungen der Woche auswertet.

Detektiv sein

Häufig werden Ängste kleiner, wenn man sich mit den befürchteten Objekten auseinandersetzt. So kann man beispielweise bei Angst vor Spinnen, Hunden oder Dunkelheit die Kinder dazu ermutigen, Detektiv oder Wissenschaftler zu spielen und ausführliche Beobachtungen zu dem Angstobjekt vorzunehmen. Das kann beispielsweise in Form von Fotos, Tagebüchern oder notierten Beobachtungen umgesetzt werden und in einem kleinen Heft festgehalten werden.


Viele der vorgestellten Materialien und Tipps habe ich im Laufe meiner Therapieausbildung von Supervisor:innen und Kolleg:innen erfahren. Ich teile sie hier mit euch, weil ich finde, dass so etwas in der Ausbildung gerade am Anfang oft fehlt und ich mir wünschen würde, dass PIAs sich nicht alle Materialien selbst von Null an erarbeiten müssen. Daher freue ich mich, wenn ihr auch eure Tipps und Erfahrungen in den Kommentaren teilt und wir hier einen Ort haben, uns darüber auszutauschen.